24.05.2023

IGEM

«Der Wandel bewirkt eine Neusortierung»

Am Donnerstag feiert die IGEM Interessengemeinschaft elektronische Medien das 25-jährige Bestehen mit einer Jubiläumsparty. Im Interview spricht IGEM-Präsident Stephan Küng über den Wandel der Branche und die neuen Herausforderungen.
IGEM: «Der Wandel bewirkt eine Neusortierung»
«Das Thema Vertrauen und Brand Safety wird immer wichtiger», so Stephan Küng, Präsident der IGEM Interessengemeinschaft elektronische Medien. (Bild: zVg)
von Matthias Ackeret

Stephan Küng, herzliche Gratulation zum 25-jährigen Bestehen der IGEM Interessengemeinschaft elektronische Medien. Was war eigentlich ausschlaggebend für die Gründung Ihres Vereins?
Die IGEM entstand aus einer Idee von Klaus Kappeler (damals IP-Multimedia, heute Goldbach) und Matthias Luchsinger (damals Cinecom, heute Weischer.Cinema). Ziel war es ursprünglich, Gattungsmarketing für elektronische Medien zu betreiben. Gerade im TV waren damals die Möglichkeiten, sender- und anbieterübergreifende Kampagnen zu planen, sehr beschränkt. Zuschauerzahlen und Werberatings wurden vom Forschungsdienst der SRG erhoben. Mediaagenturen hatten keinen direkten Zugriff auf Leistungsdaten, und es gab schlicht keine Planungstools auf dem Markt.

Die Medienlandschaft war damals eine ganz andere, das Internet spielte noch eine untergeordnete Rolle. Wo sehen Sie rückblickend die grössten Veränderungen?
Wandel, Wandel, Wandel. Das umschreibt die Veränderung der letzten Jahre. Doch dahinter steht eine komplett neue Medienlandschaft. Der Wandel bewirkt eine Neusortierung bei der Mediennutzung in einem bislang unbekannten Tempo und Ausmass. Den Konsumentinnen und Konsumenten stehen dadurch Informationen und Unterhaltung in einem Ausmass zur Verfügung, das sich durch vier Worte beschreiben lässt: Schneller, mehr, überall und jederzeit. Zielgruppen haben sich noch weiter fragmentiert, die Anzahl an Medienkanälen ist explodiert, Wertschöpfungsketten und Unternehmensstrukturen haben sich teilweise grundlegend verändert. Und die Pandemie hat die Entwicklung nochmals beschleunigt und den Digitalisierungs-Turbo gezündet. Die Medien und ihre Nutzung sind noch digitaler, mobiler und plattformbasierter geworden. Dies bedeutet für die klassischen Medien eine enorme Herausforderung, insbesondere wenn es um die Erreichung jüngerer Zielgruppen geht.

Was haben Sie aus diesem rasanten Medienwandel gelernt? Welchen Beitrag kann die IGEM dazu leisten?
Mit dieser rasanten Entwicklung Schritt zu halten, ist eine Herausforderung für unsere gesamte Branche. Da wir nahezu alle relevanten Marktteilnehmer zu unseren Mitgliedern zählen dürfen, vereinen wir ein sehr breit gefächertes Know-how und können dieses gezielt einsetzen. Wir definieren unsere Agenda so, dass wir möglichst allen unseren Mitgliedern einen Mehrwert bieten. Sei es durch Informationsveranstaltungen, an denen wir unseren Mitgliedern Trends und Entwicklungen der Kommunikationstechnologien und deren Auswirkungen auf die kommerzielle Kommunikation näherbringen. Oder sei es durch die aktive Mitwirkung im Bereich der Nutzungsforschung, die einen zentralen Schwerpunkt unserer Tätigkeit darstellt. So erhebt die IGEM zusammen mit der WEMF den jährlich erscheinenden IGEM-Digimonitor und hat Einsitz im Stiftungsrat von Mediapulse. In weiteren Organisationen wie der AGFS und der RTVA können wir als IGEM die Meinung des Marktes (unter anderem auch der Mediaagenturen) vertreten. Und nicht zuletzt engagieren wir uns mit der IGEM-Academy im Bereich der Aus- und Weiterbildung.

«Die technologische Entwicklung stellt die grösste Herausforderung für die Branche dar»

Wo sehen Sie als Chef einer Mediaagentur die grössten Herausforderungen für die Branche und die IGEM?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die technologische Entwicklung die grösste
Herausforderung für die Branche darstellt. Veränderte Nutzungsgewohnheiten der Konsumentinnen und Konsumenten und die Fragmentierung der Medienangebote haben auch für uns Mediaagenturen weitreichende Konsequenzen. Die Kampagnenabwicklung wird zunehmend automatisiert, dafür wird die strategische Arbeit noch wichtiger und komplexer. Es gilt, unseren Kunden beratend zur Seite zu stehen, die Spreu vom Weizen zu trennen und nicht jedem vermeintlichen Hype blind zu folgen. Gleichzeitig erleben wir in einer zunehmend digitalisierten und datengetriebenen Welt mehr denn je Fake News, Ad-Fraud, Bots und Co. Das Thema Vertrauen und Brand Safety wird immer wichtiger. Der atemberaubende technische Fortschritt der Digitalisierung – unter anderem durch KI – fordert die Branche, die Werbetreibenden, aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten, sprich die ganze Gesellschaft.

Heute ist überall von künstlicher Intelligenz und Metaverse die Rede. Wie wird sich das in naher Zukunft auf die Medienlandschaft auswirken?
Es ist unglaublich und faszinierend, was künstliche Intelligenz heute schon alles kann. Und es ist völlig klar, dass dieses Thema in Zukunft auch bei der IGEM ganz oben auf der Agenda stehen wird. Wenn ich an die Zukunftsszenarien denke, wird mir fast angst und bange. Demgegenüber hat das Metaverse in der Schweiz derzeit noch eine sehr geringe Relevanz. Das sehen wir auch in der aktuell laufenden Feldbefragung der Digimonitor-Studie. Aber natürlich haben wir auch dieses Thema auf dem Radar und beobachten die Entwicklung.

Sie bieten in diesem Jahr dreimal einen «Crashkurs Mediaplanung» an. Warum plötzlich diese grosse Nachfrage?
Der Fachkräftemangel ist auch in unserer Branche ein Problem. Um unsere Mitglieder auch hier unterstützen zu können, haben wir den «Crashkurs Mediaplanung» ins Leben gerufen. Von der Resonanz waren wir selber überrascht und haben als Folge den Kurs als festen Bestandteil in unsere Jahresaktivitäten aufgenommen. Dass der Kurs dreimal im Jahr ausgebucht ist, beweist, dass das Bedürfnis dafür definitiv besteht und das Angebot der IGEM im Bereich Ausbildung von den Mitgliedern geschätzt wird.

«Transparenz im Werbemarkt und in der Wertschöpfungskette ist ein zentrales Anliegen der IGEM»

Dieses Jahr erschien die Nettowerbestatistik erstmals mit einer Schätzung der Umsätze von Search, YouTube oder Social Media in der Schweiz (persoenlich.com berichtete). Die IGEM war bei diesem Projekt federführend. Warum hat sich die IGEM dafür engagiert, und wie sind diese Zahlen zustande gekommen?
Transparenz im Werbemarkt und in der Wertschöpfungskette ist ein zentrales Anliegen der IGEM. Leider melden die Plattformen Search, YouTube und Social Media – im Gegensatz zu den Schweizer Publishern – ihre Werbeumsätze in der Schweiz nicht an die Stiftung Werbestatistik. Wir haben daher eine Schätzung erstellt und sie zusammen mit Expertinnen und Experten von anderen Verbänden auf ihre Plausibilität überprüft. Gemäss unserer Schätzung werden 2022 in der Schweiz zwischen 1,7 und 2,1 Milliarden Franken für Werbung auf YouTube, Search und Social Media ausgegeben. Das ist etwa gleich viel oder sogar mehr als die gesamte Werbung in der Schweiz in Presse, TV und Aussenwerbung zusammen (1,8 Milliarden Franken). Dies zeigt die enorme Bedeutung der ausländischen Plattformen für den Schweizer Werbemarkt.

Wie feiern Sie dieses tolle Jubiläum?
Im Anschluss an unsere jährliche Mitgliederversammlung veranstalten wir im Carlton in Zürich ein Fest mit Speis und Trank, einer Comedy-Einlage von Rob Spence und Partystimmung mit der Band «Take this». Die Party ist seit Wochen ausgebucht.



Das vollständige Interview mit IGEM-Präsident Stephan Küng finden Sie in der aktuellen Printausgabe von persönlich, die in diesen Tagen ausgeliefert wird.



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